27 Oktober 2014

Den Ort kennt keiner – Aber die Walhalla



Ein Bauwerk der Huldigung, der Lobpreisung und des Gedenken an das Geleistete und Geschaffene für unsere Nachwelt. All die klugen und genialen Köpfe, die Großes geleistet haben. Mit ihrem Denken, ihrem Schaffen und ihrem Erfindungsreichtum prägten sie die Nachwelt nachhaltig. Deutsche haben Revolutionäres geleistet.

Die Rede ist von der Walhalla. Ein wahrer Prunkbau. Er thront über der Donau, ist aus der Ferne schon weithin sichtbar. Sie ist nach Walhall benannt. Das kommt aus der germanischen Mythologie und galt dort als Wohnstatt der tapferen, gefallenen Krieger. Ein Indiz auf die Entstehungsgeschichte dieses prestigereichen Bauwerks. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war nach der Niederlage gegen Napoleons Truppen zusammengebrochen. Nun müssten sie an der Seite der Franzosen gegen die Preußen kämpfen. Besiegte Deutsche gegen unbesiegte Deutsche. Eine Erniedrigung für viele. Es begann eine Zeit der Identitätssuche. Was folgte war die Errichtung deutscher Denkmäler, die ihrem Stolz Ausdruck verleihen. König Ludwig I. von Bayern wollte das vehement mit der Walhalla.
1807 entstand die Idee, die ersten Büsten wurden angefertigt. Der Bau war noch nicht einmal begonnen. Diese vollplastischen Bildnisse aus Marmor, die meist den Kopf und der oberen Schulterpartie darstellen, verleihen eine majestätische Wertschätzung. Ideal für die Ruhmeshalle auf dem Bräuberg. Geniale Persönlichkeiten stehen im Falle der Walhalla besonders im Mittelpunkt.


 

1830, 23 Jahre nach Entstehung der Idee, wurde der erste Spatenstich gesetzt. Vollendet war es im Jahre 1842. Eine gewaltige Dauer. Das Endergebnis war eine Art Pantheon, nach dem Vorbild der in Athen stehenden Bauwerke. Heinrich von Klenze konstruierte das einnehmende Monument. Ein klassizistischer Bau im englischen Landschaftsstil war dem König zu klein und nicht repräsentativ genug. Das hatte seinen Preis. Kostenpunkt: 4 Millionen Gulden.
Wir fahren hinauf zum Bräuberg, zu dessen Füßen sich die Marktgemeinde Donaustauf erstreckt. Für Autofahrer wird, oben angekommen, eine Parkgebühr fällig. 2 Euro sind das. 100 m sanft ansteigende Treppen durch den Wald muss man nur noch erklimmen. Dann stehen wir vor ihr, der Walhalla. Stehen bleiben, wirken lassen. Durch den linken Säulengang laufen wir zum Plateau. Ein sensationeller Ausblick. Das Donautal erstreckt sich vor uns. Von Regensburg bis Straubing. An manchen Tagen soll man die Berge des Bayerischen Wald und sogar der Alpen sehen können.
Geht man einige Treppenstufen hinunter auf die erste Aussichtsplattform, hat man einen hervorragenden Blick hinauf zum Monument. Beeindruckende Gedenkstätte und Denkmal zugleich.
Der Zugang ist nicht gratis. 4 Euro pro Person. Faszinierende Schönheit im Inneren. Es hat diesen rühmenden Glanz, diese Strahlkraft. Überall Büsten, Gedenktafeln und Skulpturen.
Das Innere der Ruhmeshalle ist in drei Abteilen gegliedert. In ihnen sind auf jeder Seite jeweils sechs Büsten angeordnet, in der Mitte immer einen lebensgroße Siegesgöttin. Wer hat nun die Ehre, in diesen Hallen verewigt zu werden? 99 Prozent von ihnen kennt man. Muss man kennen. Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller, Gregor Mendel, Josef Haydn, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Albert Einstein, Martin Luther, Heinrich Heine, Carl Friedrich Gauß, Nikolaus Kopernikus, Albrecht Dürer, Erasmus von Rotterdam, Johannes Kepler, Otto von Guericke oder Gottfried Wilhelm Leibniz. Alle namhaft. Sehr namhaft.

Eine besonderer Widmung wird Sophie Scholl teil. Die tapfere Widerstandskämpferin gegen das Nazi-Regime erhielt einen Ehrenplatz neben der Tür. Nur eine Tafel zum Gedenken der Opfer dieser grausamen Zeit ist neben ihr angebracht. Keine anderen Büsten werden in direkter Nachbarschaft aufgestellt. Eine große Geste.
Automatisch wird man neugierig, welche Büste zu finden sind, welche Personen geehrt werden.
Unter dem Dach werden deutsche Kaiser und Könige aus dem Mittelalter mit Gedenktafeln gedacht. Otto I., Heinrich der Löwe, Friedrich I. Barbarossa. Viele von ihnen sagen mir nichts, Ehre gebührt ihnen trotzdem. Auch Minnesänger, wie Walther von der Vogelweide, Schreiber wie Wolfram von Eschenbach oder das Werk der Nibelungensage finden ihre Verewigung. Insgesamt sind 130 Büsten und 65 Gedenktafeln in der Ruhmeshalle ausgestellt, mit denen an über 190 Menschentaten erinnert werden. Gewaltig.

In der Mitte gibt es drei in den Boden eingearbeitete Motive. Die Zahlen der Entstehungsgeschichte: 1807 entstanden, 1830 begonnen und 1842 vollendet. Am Ende steht die Skulptur von König Ludwig I. Er verdient es. So etwas Kunstvolles mit einem tiefen Sinn zu schaffen, für sich und die Nachwelt, verdient hohe Anerkennung. Etwas Größenwahn war vielleicht auch dabei.


Es ist Sonntag, Mittagszeit. Hunger, Hunger. Der Magen rebelliert schon. Am Fuße des Kreuzweges zur Walhalla gibt es zwei Einkehrmöglichkeiten. Wir entscheiden uns für das Armenspital. Es wurde vor wenigen Wochen erst neu eröffnet. Eine urige, typisch bayerische Wirtschaft. Holztisch, Holzstühle, ein Kachelofen in der Mitte des Raums. Das Kreuz in der Ecke darf natürlich nicht fehlen. Gemütlich ist es, kleine Dekoartikel in angenehmem Grün und kleine Blumen verwandeln den Gastraum perfekt zu einem wohlfühlendem Ambiente. Die Tische sind fast alle voll, eine heitere Stimmung herrscht hier drinnen. Es wird herzzerreißend gelacht, wild diskutiert. Jeder redet durcheinander. Durch die alten Steinmauern verstärkt sich der Lautstärkepegel gehörig. Es hallt ein wenig. Zünftig wird gegessen. Schweine- und Sauerbraten mit Klößen, Gänsebrust mit Klößen oder Schweinshaxen stehen auf der Speisekarte. Nicht so richtig unser Ding. Brotzeitteller gibt es noch, für zwei Personen. Den nehmen wir. Geräucherter Schinken, Salami, Kochschinken, Pressack (eine Art Leberwurst) und Obatzter. Brot natürlich noch, nur davon etwas wenig. Wir müssen gegen Aufpreis nachbestellen. 1 Euro für eine Scheibe. Gut. Doch was ist bitte Obatzter? Ich kannte es auch nicht. Eine Art Käseaufstrich. Ein Camenbert wird mit Butter und gehackten Zwiebeln zu einer Creme gerührt. Hinzu kommt noch ein Schuss Weißbier und Salz, Pfeffer und Paprika als Gewürze. Eine Delikatesse.
Es schmeckt richtig lecker, alles ist frisch vom Metzger oder wie die neue Leibspeise, der Obatzter, frisch zubereitet. Mit gesättigtem Gefühl verlassen wir die stimmungsvolle, bayerische Gaststätte. Hat sich wirklich gelohnt.

Kaum einer kennt den Ort, in der die Walhalla zu finden ist. Alle reden nur von ihr. Wenn es heißt: "Dort bei Regensburg". Stimmt auch. Die Gemeinde heißt Donaustauf. Genauer gesagt ist es eine Marktgemeinde, liegt nur wenige Kilometer von Regensburg entfernt.

Das Auto stellen wir in der Nähe des Rathauses ab, schlendern durch den Ort. 3800 Menschen leben hier. Typisch bayerisch fühlt man sich hier. Das Gefühl, dass die Welt in Ordnung sei lässt uns nicht los. Liegt daran, dass die Häuser alle herausgeputzt sind. Jede Fassade ist frisch gestrichen, der Putz fällt nirgends herunter. Die Straßen sind geleckt, keine Schlaglöcher. Die Kreuze zur Glaubensbekennung sind überall sichtbar. Kein Schandfleck, keine Brachen. Wie aus dem Ei gepellt. So stelle ich mir Vorstadtidylle vor. Heile Welt eben. Hinter die Fassaden möchte ich nicht schauen. Nicht alles ist Gold, was glänzt. Firmenansiedlung ist in Donaustauf nicht vorhanden. Die Menschen wohnen und leben hier. Die Arbeitsplätze sind im nahen Regensburg und der Umgebung.

Die Burgruine ist das zweite Aushängeschild. Die Höhenburg ist auf ihrem Bergvorsprung wahrlich nicht zu übersehen. Zwischen 914 und 930 ließen die Regensburger Bischöfe die Burg zur Abwehr gegen die Ungarn bauen, teilweise nutzten sie es sogar als Residenz. Im Mittelalter entwickelte sich rund um die mächtige Anlage eine bürgerliche Siedlung. Im Laufe der Jahrhunderte wechselten sich die Besitzer spielend. Sie wurde belagert, zerstört und wieder aufgebaut. Ab dem 17. Jahrhundert verfiel die Burg allmählich zur Ruine, wurde zeitweise sogar als Steinbruch genutzt.  

Wie üblich ist die Historie der Burgruine eng mit der der Stadt verknüpft. Seit den Anfängen des 18. Jahrhunderts gehörte Donaustauf mit seiner zunehmend verfallenden Burg zum Königreich Bayern, ab 1812 zum Fürstengeschlecht Thurn und Taxis.

All zuviel steht nicht mehr von der Burg. Die nördlich vorgelagerte Vorburg ist heute ein Friedhof. Durch das Burgtor treten wir in das ehemalige Innere ein. Ein Stumpf des östlichen Rundturms ist zu sehen. Zwei Mauern mit Wandnischen der quadratisch angelegten Kapelle haben die Zeit überlebt. Eine Mauer des Palas gibt es noch. Anhand der Aufzählung merkt man, dass das recht dürftig ist. Eine Ruine eben.

Es beeinträchtigt jedoch nicht diesen fantastischen Blick. Wieder über das breite Donautal. Wieder von Regensburg ins Straubing. Über die unfassbar breite Donau hinweg. Irre wie dieser Strom im Laufe der Jahre von den Menschen begradigt wurde. Zeit nehmen. Verweilen. Genießen.

Donaustauf. So sehr es sich anstrengt. Der Markt wird immer im Schatten der Walhalla stehen. Den Namen werden sich nicht viele merken, wollen die Einwohner wohl auch gar nicht, die Walhalla dagegen schon. Dafür ist dieser Prunkbau zu imposant und monumental, in seiner Bedeutung zu herausragend. Ein Denkmal der deutschen Identitätssuche, in einer Reihe mit dem Brandenburger Tor, dem Hermannsdenkmal oder dem Niederwalddenkmal in Rüdesheim. Daher ein Muss auf jeder Sightseeing-Liste. Unbedingt.

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