23 Juni 2015

Das Wintersportmekka Polens (Teil 20)

 
Zakopane. Irgendwie übte dieser Ort vor meiner Reise eine gewisse Faszination auf mich aus. Die Goralen prägten mit ihrer Kultur nicht nur Zakopane. Ein Pendant zu den Hochgebirgsmekkas der Alpen. Über 500km von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.
Zakopane, die höchstgelegene Stadt Polens. Eine der südlichsten Polens. Am Fuße der Zweitausender der Hohen Tatra, dem kleinsten Hochgebirge der Welt. Viele Superlativen auf dem papier. Kein Wunder, warum der Ort ein gewisses Charisma ausstrahlt. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt.



Polens bekanntester und beliebtester Wintersportort liegt eingebettet in einem weiten Talkessel. Die Umgebung ist traumhaft. Die schneebedeckten Gipfel der Hohen Tatra, das bergige Hinterland im Norden. Zwischen dem leichten Nebel kämpft sich die Sonne mit ihren intensiven Strahlen hervor und hüllt das Panorama in ein glanzvolles Licht.
Nur ist der Blick und die Luft getrübt. Mehr Smog als Nebel. Es riecht beträchtlich. Der Grund ist eindeutig. Die Schornsteine der Häuser qualmen dunklen Rauch nach außen. Feinstaub liegt in der Atmosphäre. Die Bewohner heizen ein, wollen es kuschelig warm. Scheinbar mit allem, was sie in die Finger bekommen. Darum der Gestank. Umweltfreundlich ist das nicht. Gut für die Gesundheit ebenso wenig.
Hinein in die Stadt. Holzhäuser bestimmen das Ortsbild. Holz, der charakteristische Baustoff Zakopanes. Zu verdanken ist das den Goralen. Sie legten den Grundstein mit einer Hirtensiedlung. Deren Kultur haben deutliche Spuren im Leben Zakopanes hinterlassen. Wenn auch heute hauptsächlich für kommerzielle und touristische Zwecke. Doch wer waren die Goralen? Ein ureigenes Volk innerhalb Polens und der Slowakei. Genauer gesagt, sind sie das Volk der Hohen Tatra, sprechen einen eigenen westslawischen Dialekt, haben ihre eigenen Sitten und Bräuche.



Zakopane war so ein beschauliches Dorf der Goralen. Einfache Holzhäuser waren ihre Wohnräume. Holz war genug vorhanden. In der Mitte des 19. Jahrhundert ließen sie erstmals Fremde in ihren Häusern nächtigen. Der Anfang des Tourismus. Dass ein Warschauer Arzt mit dem schwierigen Namen Tytus Chalubinski den Ort für sich und sein Sanatorim für Tuberkuloseerkrankten entdeckte, ist nur ein kleiner Meilenstein in dieser Entwicklung. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden folgerichtig die ersten Hotels. Zakopane wurde beleibter und beliebter, die Menschen kommen mittlerweile mit der Eisenbahn aus Krakau. In dieser Zeit entstand der sogenannte „Zakopane-Stil“. Die vorherrschende Architektur der Holzhäuser wurde beibehalten, jedoch wurden sie mit Elementen des Jugendstils vereint. Einige Villen sind Zeitzeuge davon. Vorreiter war ein gewisser Stanislaw Witkiewicz, Architekt von Beruf. Naja, wer es mag. Diese ganz eigene Ursprünglichkeit war damit futsch. Das hat sich bis heute so beibehalten. Immer noch sieht man Holzhäuser an jeder Ecke. Sie bestimmen die Straßenzüge, haben ein nicht abstreitbaren Charme. Nur sind sie heute nicht mehr von ihrer Einfachheit und Ursprünglichkeit geprägt. Der Kommerz und der Tourismus steht nun einmal an erster Steller. Nicht verwerflich. Die vielen Reklametafeln, die oftmals noch grell leuchten, zieren jene Häuserfronten. Parken in der Innenstadt kostet immer und überall. Die Kassierer für die Gebühr warten schon, Parkautomaten sind somit überflüssig.

Wir schlendern über die Flaniermeile Krupowki. Hauptanziehungspunkt der Stadt. Ganz charmant. Ausgangspunkt für unseren Streifzug ist die Kirche Johannes Paul II. Eine Kirche, wie wir sie kennen. Kein Holz, recht einfach gehalten. Obligatorisch die Statue des verstorbenen Papst.
Die Einheimischen und die Touristen strömen über den Pflasterstein. Geschäfte säumen sie. Kleidung, Sportartikel, Juweliere, Optiker findet man hier in häufiger Anzahl. Die Restaurants reihen sich natürlich in diese Balance nahtlos ein. Das nicht zu wenig. Aneinander reihen sie sich fast. Deftig, typisch polnische Küche eben. Der offene Grill ist Standard. Italienisch gibt es aber auch. Abwechslung für einen Abend. Viele Polen und Russen verschlägt es in die Restaurants. Die Tische sind reichlich gefüllt. Die Bedienungen, darunter auffallend viele Männer, sind beschäftigt.
Das schönste Bauwerk liegt außerhalb Zakopanes. Das beeindruckendste. In Richtung Lysana Polana liegt die alte Dorfkirche. Komplett aus Holz errichtet. Zugleich das älteste Gotteshaus des Ortes. Da ist sie, diese Urigkeit. Ein Original aus jahrhundertealter Kultur der Goralen.
Wintersport wird groß geschrieben. Ein kleines Skigebiet bringt den nötigen Spaß für einen Kurzurlaub. Auf kurzen und steilen Pisten kann man sich genügend austoben. Klar, mit den kilometerlangen Pisten in den Alpen und Dolomiten kann das Skigebiet bei weitem nicht mithalten. Im Vergleich dazu, ist es ein kleiner Rutschhang. Einer endet innerhalb des Stadtgebiets. Beinahe am Ortsausgang Richtung Cyrhla. Einziger Wermutstropfen, die Lifte sind nicht im betrieb. Es herrscht Ebbe, der Schnee ist noch nicht genügend vorhanden.






Zakopane verbindet man aber auch mit einem: Skispringen. Alljährlich sieht man in den TV-Übertragungen über 30000 heißblütige Fans ihre Athleten nach vorne schreien, wenn sie sich die Schanze während eines Weltcupspringens herunterstürzen. Dann leuchten die bengalischen Fackeln, wehen die polnischen Fahnen. Die Menschen feiern dieses Event. Volksfeststimmung in einem wahren Hexenkessel.
Kein Zweifel, Zakopane ist ein Wintersportort. Hauptstadt der Tatra. Winterhauptstadt Polens. Höchstgelegene Stadt Polens. Superlative um Superlative, wie eingangs erwähnt. Das drückt sich in den Besucherzahlen aus. Millionen von Urlaubern kommen jährlich. Man hat viel dafür getan. Alles ist darauf ausgelegt. Viele ehrgeizige Imagekampagnen sind gestartet geworden. Für Sommer und Winter. Weltmeisterschaften ausgerichtet, sogar für Olympische Spiele beworben. Trotz Erfolglosigkeit macht es Zakopane in der Welt bekannt. Das ist das Ziel. Ein Touristenmekka. Die meisten Einheimischen haben ihre Häuser zu kleinen Pensionen umgebaut. Die sind ausgebucht. Darunter gute und schlechte, günstig und teuer.
Unsere Unterkunft ist leider nicht der Hit. Eine kleine Abstellkammer, zwei mal drei Meter groß. Die Schlafcouch müssen wir erst ausziehen. Auf eine bequeme Matratze mussten wir verzichten. Das Bad und die Dusche sind separat auf dem Gang, den saubersten Zustand hat die Dusche auch nicht. Nicht wohlfühlend. Nicht einladend. Ein kleiner Reinfall. Manchmal ist günstig eben nicht immer gut. Das ist das Risiko.

Doch wer Zakopane nicht in der kalten Jahreszeit entdecken will, für den lässt die Zeit vom Frühjahr bis in den Herbst hinein keine Wünsche offen. Wanderrouten sind unendlich viele vorhanden, kilometerweit. Fast zu Tode laufen kann man sich. Auch das Klettern ist ein beliebter Sport für die Aktiven unter uns. Die Umgebung ist dafür prädestiniert.
Wem das zu anstrengend ist, der nutzt die Seilbahn für einen Ausflug in die Höhe. Zum Hausberg Zakopanes, dem Kasparowy Wierch. In 20 Minuten auf 1995m, so hoch ist sein Gipfel. Von dort kann man über die schneebedeckten Gipfel des kleinsten Hochgebirges der Welt blicken, in slowakische Landen. Dorthin, wo der größte Teil des Gebirges liegt.

Eine Menge Spaß gönnen wir uns am Abend im Aquapark, der sehr zentral gelegen ist.2 Stunden lang. Da kommt das Kind in einem hoch. Die vier verschiedenen Rutschen sind das Highlight. Von kurz über mittel bis lang. Ein Heiden Spaß für Groß und Klein. Entspannung finden wir danach im Whirlpool. Nicht nur die mehreren Sprudelbecken stehen für die Wasserratten zur Verfügung. Außenbecken, Strudelströmungsbecken, eins für die Babys und Kleinstkinder und eins zum normalen Planschen. Bei Wassertemperaturen von 32 bis 35 Grad ist es kuschelig warm. Wirklich ausreichend.
Gut erholt, neigt sich der Tag dem Ende entgegen. Zakopane haben wir heute entdeckt. Das Wintersportmekka mit vielen Vorschusslorbeeren. Die Umgebung hält das, was es verspricht. Die Hohe Tatra ist echtes Naturidyll. Sie zu entdecken, lohnt sich wirklich. Zakopane dagegen ist ein wenig überschätzt. Die Spuren der Goralen und der spätere „Zakopane-Stil“ sind immer noch sichtbar. Er wird heute nur noch für den kommerziellen Tourismus „weitergelebt“. Die authentische Urigkeit und die Originalität sind für mich verloren gegangen. Wenn gleich, die Stadt einen gewissen Charme versprüht.

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