10 Juni 2015

Eigentlich alles ganz normal – Kleinstadt Auschwitz (Teil 11)

 
Auschwitz. Jeder kennt diesen Namen. Er steht für Schrecken, Gräuel und unmenschliche Taten. Millionen von Menschen kamen in den Konzentrationslagern um. Massenmorde. Bevor wir diese besichtigen, besuchen wir die Stadt. Im polnischen heißt sie Oswiciem. Außer den Polen selbst, weiß das keiner. Die Stadt überrascht uns. Junge Leute sind unterwegs. Nichts ist von trüber Stimmung oder sonstiger Verbitterung zu sehen. Warum auch? Das Leben geht seinen Gang, mit oder ohne Vergangenheit.
 




Die Stadt macht Werbung. Nicht mit den Konzentrationslagern, sondern mit ihrer kleinen, feinen Altstadt. Die erstreckt sich in der Nähe des Ufer der Weichsel. Von der gegenüberliegenden Uferseite sieht man die Silhouetten der Bauten beinahe malerisch. Auch das Schloss, direkt an der Weichsel, ist unübersehbar. Zu ihr führt eine Brücke, über den Fluss. Damit verbunden auch in das Zentrum, die Altstadt. Der große, rechteckige Marktplatz ist das eindrucksvollste Ensemble Auschwitz. Die Einwohner laufen aus allen Himmelsrichtungen quer über ihn. Kleinstadtcharme. Gepflegte Bürgerhäuser rundherum, der warme Gelbton des Rathauses sticht hervor. Kleine Läden, Boutiquen, Bäckereien und Cafes sammeln sich am Platz. Die beinahe monumental wirkende katholische Kirche aus weinroten Ziegelsteinen ist nur einen Katzensprung entfernt. Von hier kann man noch einen Blick auf die Weichsel und das Schloss aus der anderen Perspektive erhaschen.

Auschwitz war im Mittelalter ein bedeutendes Zentrum. Ein Herzogtum. An der Grenze zwischen den Slawen und Deutschen. Am Zusammenfluss von Weichsel und Sola. Um 1400 blühte die Stadt, stieg zum Handelszentrum auf, erhielt die Gerichtsbarkeit. Indiz für Wohlstand.
Dann setze die Landflucht ein, vorrangig die Deutschen verließen Auschwitz. Die Chance für den polnischen König Kasuimierz IV.. Der kaufte das Gebiet, schloss es an Krakau an. Der Anteil der Juden in der Bevölkerung stieg ab da an. Trotzdem hatte Auschwitz Ende des 18. Jahrhunderts seine einstige Bedeutung verloren. Durch die verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa gehörte man nach dem Wiener Kongress zur Monarchie Österreichs.

Der Zweite Weltkrieg. Das grausame Schicksal Auschwitz ist damit verknüpft. Jeder kennt die Geschichte vom Konzentrations- und Vernichtungslager,von der Vergasung der Juden, vom Massenmord an der Menschheit.

Die ehemaligen Buna-Werke aus damaligen Zeiten, die für den Kriegsprozess der Nazis von großer Bedeutung waren, Gummiprodukte wie Reifen für die Motorisierung im kriegerischen Wahnsinn, ist heute der größten Arbeitgeber der Stadt. Ein Chemiekonzern, zur Lanxess AG gehörend, der vorrangig Kautschukgummi herstellt. Dichtungen, Schläuche, Kabelummantelungen oder Reifen stehen nun im Sortiment der Produktpalette. Sonst ist der Dienstleistungssektor in jeglichen Branchen der Wirtschaftszweig zum Wohle der Menschen vorherrschend. Er schafft das Groß der Arbeitsplätze.

Jüdische Bevölkerung ist heute nur noch wenig vorhanden. Eine kleine Minderheit lebt nur noch in der Stadt. Dennoch gibt es ein jüdisches Zentrum. Nur ein bis zwei jüdische Gebetshäuser haben jene grausamen Jahre des Krieges überlebt. Diejenigen wurden danach noch als Teppichlager genutzt. Irgendwie auch nicht respektvoll. 2000 wurde zumindest eine nach einer Restauration wiedereröffnet. In diesem Zuge entstand ein verhältnismäßig winziges Museum. Wenigstens eine Erinnerung an jüdisches Leben in Auschwitz.

Eigentlich bleibt die Stadt Auschwitz, wenn man die Konzentrationslager außen vor lässt, eine normale, einfache Kleinstadt. Provinzielles Spießbürgertum eben. Nichts negatives. Lachendes junges Blut, in Form von Menschen, geben Auschwitz ein frisches Bild. Der Kontrast zu dem, was im Anschluss kommt. Den Staatlichen Museum von Auschwitz-Birkensau. Den Konzentrations- und Vernichtungslagern.
 

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