27 Juni 2015

Quer durch die Sandezer Beskiden (Teil 22)


Nach zwei Nächten und drei Tagen in Zakopane geht es weiter. Weiter auf der Flucht. Nein, natürlich nicht. Die Hohe Tatra hat bei uns Eindruck hinterlassen. Ziel sind die Beskiden. Krynica-Zdroj, ein durchaus renommierter polnischer Kurort.

Es geht kurzzeitig zurück Richtung Nowy Targ, bevor wir rechts abbiegen. Von nun an fahren wir durch dünn besiedeltes Land. Der Dunjajec wird über weite Strecken unser Begleiter. Dieser Nebenfluss der Weichsel, mit 247 Kilometer beachtlich lang, der in der Hohen Tatra entspringt. Wo sonst. Beeindruckenden Nationlparks auf polnischer und slowakischer Seite gibt er durch seine Charakteristik ein Gesicht. Über 18km stellt er sogar die Staatsgrenze zwischen beiden Ländern. Schiffbar ist er durch seine Wildheit nicht. Darum diese erhaltene, ursprüngliche Natur. Gott sei Dank.


Debno ist ein kleines Dorf, unweit von Nowy targ gelegen. Gemeinde technisch gehört sie auch zur Hauptstadt des polnischen Hochlandes. Es liegt direkt am Dunjajec, in einem Tal. Rundherum Erhöhungen der Beskiden, weites und sattes Grün der Wiesen und Weiden. Doch eine besondere Schönheit besitzt das 700-Einwohner-Dorf Debno. Eines der wertvollsten Baudenkmäler Polens. Die Holzkirche Erzengel-Michael. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Das besondere daran, sie wurde ohne Nägel als Hilfsmittel errichtet. Außen macht sie einen schlichten Eindruck, im Inneren soll sie ungeahnten Reichtum an Malereien, Farben und Formen haben. Ein UNESCO-Weltkulturerbe. Sie gehört zu einer Auswahl von sechs Holzkirchen im südlichen Kleinpolen, die sich völlig von den sonstigen Kirchen aus Stein in ihrer Architektur und Struktur unterscheiden.
Debno schützt ein Damm vor den Wassermassen des Jezioro Czorsztynskie. Beide Flüsse, der Schwarze und Weiße Dunjajec fießen gleichzeitig zusammen und wird als ein Fluss angestaut. Ein üppiger Stausee, der sich über ein bis zwei Kilometer erstreckt und sich wunderbar in das Tal mit den umliegenden Hügeln schmiegt. Ein tolles Landschaftsbild. Die Bewohner der winzigen Dörfer Maniowy und Kluszkowce haben das tagtäglich vor Augen. Dabei sind wir noch gar nicht einmal weit von der polnisch-slowakischen Staatsgrenze entfernt. Die ist beinahe in Sichtweite.

Den Dunjajec haben wir verlassen. Für kurze Zeit. Der schlägt einen großen Bogen. Auf enger Dorfstraße quälen wir uns landein durch die Beskiden. In einer waldreichen Landschaft. Der polnische Nationalpark Pieninen umfahren wir zu unserer rechten Seite. Die nackten Felswände der Berge sind charakteristisch. Auf einer traditionsreichen Floßfahrt kann das Naturschutzgebiet mit einer breiten Artenvielfalt hautnah und umweltfreundlich erleben. Entlang an steil aufragenden Kalksteinfelsen, durch tiefe Schluchten. Ein Abenteuer, welches wir uns heute entgehen lassen müssen. Mitte Dezember sind sie nicht im Angebot.

Im kleinen Kroscienko Nad Dunajcem treffen wir urplötzlich wieder auf den prägenden Strom. Links oder rechts? Links, wir folgen den Navi in Richtung Lacko. Der Dunjajec ist erneut unser Begleiter. Immer an dessen Ufer entlang fahren wir so bis Nowy Sacz. Unser schneller Blick auf die Karte bestätigt, dass wir richtig sind. Ganz erschrocken sind wir als wir in dem keinen Ort ein Auto mit deutschen Kennzeichen sehen. Das Siegel deutet auf Baden-Württemberg. In diesen Gefilden, abseits der Touristenorte rechneten wir nicht damit, war auch eine Ausnahme.

Nowy Sacz ist ein Zentrum im Süden Polens. Mit über 80000 Einwohnern hat man eine stattliche Größe. Damit ist man zugleich ein wichtiger wirtschaftlicher Standort für das gesamte umliegende Gebiet, speziell im Dienstleistungs- und Industriesektor. Mittelständische Unternehmen haben sich angesiedelt. Überall sieht man Supermärkte, Einkaufscenter, Baumärkte und sonstige Geschäfte. Geographisch gesehen, befinden wir uns im Vorland der Sandezer Beskiden. Deren sanften Erhebungen sind bereits zu erblicken. Der Dunjajec und die Kamienica, zwei große prägende Flüsse, bestimmen das Bild unmittelbar. Die breiten Flusstäler mit den Auen sind enorm. Das Flussbett ist nicht zum Bersten gefüllt. Doch die Vorstellung fällt nicht schwer, was abgeht, wenn das Schmelzwasser aus den Bergen und dem Umland in den Dunjajec fließt, dessen Verlauf zu den schönsten Polen zählt. Ihn haben wir bereits kennengelernt und eine ganze Zeit begleitet.

Kulturell hat Nowy Sacz durchaus etwas zu bieten. Der Rynek ist das Nonplusultra der regionalen Hauptstadt. Mit seiner Größe gehört er zu der größeren Sorte. Von dort führt die Hauptstraße durch die passabel erhaltene Altstadt. Vorrangig Restaurants, Geschäfte und Galerien sind an ihr entlang zu finden. Mit der Heiligeist- und der Margaretenkirchen stechen zwei Gotteshäuser besonders hervor. Mit der Alten Synagoge, die heute also nicht mehr genutzt wird, sondern als modernen Kunstgalerie, ist ein Überbleibsel aus dem ehemaligen jüdischen Ghetto des verhassten Zweiten Weltkriegs. Nur in den Köpfen der Menschen hat er Spuren hinterlassen, die dafür gewaltig.

32km sind es von Nowy Sacz bis zum Kurort Krynica-Zdroj. Mitten in den Beskiden. Auf dem Weg dorthin passieren wir kleine Dörfer und Städte. Frycowa, Maciejowa, Labowa oder Nowa Wies sind darunter. Ein dünn besiedeltes Land. Unaufregend. Meist geht es eben dahin. Links und rechts ertürmen sich sanft die grünen, bewaldeten Berge. Erst als sich das traditionsreiche Krynica Zdroj nähert steigt die Straße an. Die Kolonne wird dadurch etwas dichter. Die Lkws kämpfen hier und da. 10Km vor der Staatsgrenze biegen wir rechts ab von der Bundesstraße. Geradeaus wäre es in den Grenzort Muszynka. Nach über 130 Kilometern haben wir es fast geschafft. Gute 2,5 Stunden waren wir unterwegs. Teilweise abseits der Zivilisation. Middle of Nowhere. Vermeintlich. Eine viel besseren Querschnitt über die Region der Sandezer Beskiden bekommt man nur kaum. Besonders landschaftlich.












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